Durch freies Gestalten Gefühle wie Angst und Schmerz ausdrücken und Neues entdecken: Das können Kinder und Erwachsene im Atelier von Konstanze Feindt Eißner.
Gestaltreiche Wesen aus Naturstein und Marmor stehen aufgereiht vor und im Atelier. Sie schreiten und springen auf der blauen Hausfassade, halten, umarmen sich oder hocken zusammengekauert am Boden. Immer wieder taucht auf Leinwänden und Papier eine rote Harlekinsfrau mit schwarzem Hut auf, die kleine und große Kugeln vorm Herabfallen hält und ein kleines Kind in ihren Armen wiegt. In ihren farbintensiven, symbolreichen Bildern und filigranen bis kraftvollen Skulpturen erzählt Konstanze Feindt Eißner vom Tanz des Lebens, von Werden und Vergehen, Liebe und Tod. Wir sprachen mit der Bildhauerin, Zeichnerin und systemischen Kunsttherapeutin über diesen besonderen Erlebnis- und Erfahrungsraum.
Was geschieht in der Kunsttherapie?
Es ist eine Möglichkeit für Menschen, wenn Worte nicht mehr (er)reichen – als nonverbale Form der Psychotherapie. Dabei geht es um Begleiten, Auffangen, Loslassen, Ausprobieren, Neues-übersich- Erfahren, Freude-Entdecken. Es sind keinerlei künstlerische Voraussetzungen notwendig. Wichtig ist nur, dass man aufgeschlossen und bereit ist, sich darauf einzulassen.
Wie hilft das freie Gestalten Kindern, ihre Gefühle auszudrücken?
Das Wichtigste ist, locker zu sein und sie einfach machen zu lassen, ohne strenge Vorgaben wie in der Schule. Ich biete eine Art Schatzkiste an Materialien an. Verschiedene Stifte, Farben, Ton, Ausschnitte aus Zeitschriften für eine Collage oder ein Stapel Postkarten, aus denen sie sich etwas aussuchen – und ich frage, was ihnen dazu einfällt. Dann kommt man ins Gestalten. Ich hab noch nie erlebt, dass jemand nichts machte. Bei Erwachsenen gibt es schon mehr rationale Schranken. Kinder haben noch mehr Intuition. Sie zeigen, was sie erlebt haben.
Was entdecken die Teilnehmer während der Kunsttherapie?
Die erste Stunde ist wie ein Kennenlernen. Man kann auch vorher besprechen, was man erreichen möchte. Etwa: Ich möchte weniger aggressiv sein oder mich besser konzentrieren. Manche haben auch jede Stunde etwas anderes. Dennoch gibt es einen roten Faden. Bei der Kunsttherapie geht es nicht ums Können. Das Ziel ist nicht unbedingt ein fertiges Bild, sondern etwas für sich zu entdecken und Dinge, über die man nicht sprechen möchte, anders auszudrücken. Damit sich etwas löst, entlastend wird. Der Prozess des Gestaltens ist das Wichtige, in dem ganz viel passiert: Ressourcen finden, positive Anteile, die helfen, wieder gesund zu werden, in Balance zu kommen. Wenn beim Gestalten etwas entsteht, obwohl man dachte, es nicht zu können, ist das ein schönes, stärkendes Erlebnis.
An wen richtet sich Ihr Angebot?
Es beginnt bei Kindern ab fünf Jahren und reicht bis zu älteren Menschen. Ich gebe vorrangig Einzelstunden; eine Übernahme der Kosten durch Krankenkassen ist bisher leider noch nicht möglich. Zu mir kommen junge Mütter, wenn sie mal etwas Zeit für sich haben, oder auch Menschen, die mit Krebs umgehen müssen. Die Kunsttherapie ist die Stunde, in der es nur um sie und ihre Bedürfnisse geht. Auch darum, wieder eine Struktur zu finden, etwas anzufangen und zu beenden. Mit der Kunsttherapie ist es wie bei einem Mobile. Wenn man an einem Teil zieht, bewegen sich die anderen Teile mit. Daher ist es wichtig, andere Menschen aus seinem Lebensumfeld mit einzubeziehen, damit sich etwas verändert.
Wie hilft Ihnen selbst die Kunst?
Als kleines Mädchen wollte ich Hebamme werden. Zeichnen und Beschäftigen mit Ton machten mir schon als Kind großen Spaß. Ich merke selbst immer wieder, wie gut mir die Kunst tut, wie ich innere Dinge dadurch bearbeiten oder lockern kann. Verschiedene Lebensphasen spiegeln sich auch in meinen Bildern und Plastiken, wie im Mutter-und-Kind-Bilderzyklus „Schützen – Beschützen“ mit der roten Harlekinsfrau oder im Bild „Der Clown“ für meinen Zwillingsbruder, der mit 28 Jahren Suizid beging. Es geht um Themen wie Vergänglichkeit, aber natürlich auch um die heitere und lustvolle Seite des Lebens. Es geht mir darum, die Balance im Leben immer neu auszuloten. Ich sehe es auch als ein Geschenk, wenn ich anderen helfen kann. Mir ist die Kunst auch Lebenshilfe. Gespräch: Lilli Vostry
Weitere Infos:
und Kurstermine unter www.kfe-arts.de
Foto: Lilli Vostry