Es gibt verschiedene Wege. Wir sprachen mit Ines Hölzel, Fachberaterin für Deutsch an Grundschulen im Raum Dresden.

Frau Hölzel, welcher Weg ist der richtige?

Es ist schwer zu sagen, darüber streiten sich Didaktiker und Pädagogen. Die umfangreichste wissenschaftliche Studie zum Thema Lernen überhaupt von Hattie hat unter anderem herausgefunden, dass vor allem die Professionalität des Lehrers ausschlaggebend ist. Für den Lernerfolg ist es also entscheidend, dass die Lehrkraft ihre Methode – egal, welche – beherrscht.

Wann erfahren Eltern, nach welcher Methode ihr Kind unterrichtet wird?

In der Regel meist schon vor Schulbeginn oder zum ersten Elternabend stellen die Pädagogen ihre Konzepte beziehungsweise die Lehrwerke vor.

Welche Methoden gibt es?

In Sachsen stehen über 20 Lehrwerke, also mehrere Methoden und Mischformen, zur Auswahl. Wirklich nicht einfach, DIE richtige zu finden. Bekannt ist die herkömmliche Fibel, andere haben das Prinzip des Lesens durch Schreiben aufgegriffen.

Worin besteht der Unterschied?

Mit der Fibel geht man analytisch-synthetisch vor, erarbeitet Buchstabe für Buchstabe. Damit schreibt und liest das Kind erste Wörter und einfache Sätze. Bei Lesen durch Schreiben wird auf das systematische Erarbeiten der Buchstaben verzichtet, die Schüler schreiben von Anfang an mithilfe der Anlauttabelle Wörter. Begleitet wird dies von einem intensiven Wahrnehmungstraining – leise von laut, kurz von lang oder rechts von links zu unterscheiden.

Was ist eine Anlauttabelle?

Eine Übersicht, in der jeder Anlaut einem Bild zugeordnet ist. Zum Beispiel A wie Affe. Mit dieser Tabelle kann das Kind Wörter verschriften. Die hat Dr. Jürgen Reichen kreiert, mittlerweile liegt sie allen Lehrwerken, auch in der Fibel, bei. Denn laut sächsischem Lehrplan ist das Schreiben mit allen Buchstaben von Anfang an gewollt. Damit hat jedes Kind die Chance, auf seinem Level selbst und frei seine Gedanken zu einem Rahmenthema aufzuschreiben, sei es nur mit Anlaut, mit ganzen Wörtern oder gar in Sätzen.

Sind die Unterschiede bei den Kindern denn so groß?

Ja, und zwar in vielen Bereichen – motorisch, sprachlich aber auch hinsichtlich der Konzentration und Aufmerksamkeit. Das Ausgangsniveau klafft bis zu drei Jahre auseinander. Die Ursachen sind breit gefächert. Die einen können bereits lesen, und die anderen haben Schwierigkeiten, einen Stift zu halten. Darin besteht heute die große Herausforderung in den ersten beiden grundlegenden Schuljahren. Der Lehrer muss differenzierte Aufgaben stellen, um jeden dort abzuholen, wo er steht.

Noch mal zu Lesen durch Schreiben. Gegner warnen davor, dass Kinder schreiben dürfen, wie sie wollen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Das stimmt so nicht. Das Kind schreibt anfangs die Laute eines Wortes, die es hört. Aber schon in Klasse eins werden erste Rechtschreibstrategien vermittelt, die helfen, weniger Fehler dabei zu machen. So lernen sie, dass Wörter aus Silben bestehen, die jeweils einen Selbstlaut haben, dass Namen groß- und Tu-Wörter kleingeschrieben werden. Das Schreibenlernen ist auch ein Prozess, der Zeit braucht. Und ich meine, es ist keiner Lehrerin egal, wie die Kinder schreiben. Beim Lesen steht die ganzheitliche Worterfassung im Vordergrund. Inzwischen haben Didaktiker und Lehrbuchverlage die Methode  weiterentwickelt. Kompetenztests in Klasse 3 und Lernergebnisse in Klasse 4 bestätigten die gut bis sehr gut ausgeprägten Lese- und Schreibkompetenzen in diesen Klassen.

Viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder vor allem richtig schreiben lernen.

Unter Schreibenlernen verstehen wir mehr: nicht nur orthografisch richtig und am Ende normgerecht zu schreiben. Die Kinder sollen auch über einen guten Wortschatz und Ausdruck verfügen, sich zu einem Anlass treffend und adressatenbezogen schriftlich äußern können. Es gehört dazu, einen Text zu planen, zu verfassen aber auch ihn überarbeiten zu können. Selbst das Präsentieren des Geschriebenen vor der Klasse ist ein Teil des Schreibenkönnens. Und es wird in jeder Klassenstufe viel dafür getan, dass die Qualität des Geschriebenen immer besser wird. All diese Fähigkeiten spielen letztlich in der weiterführenden Schule eine große Rolle.

Was würden Sie als Lehrerin sich von Eltern wünschen?

Dass sie der Lehrkraft einen Vertrauensvorschuss schenken. Dass sie Geduld haben, denn Lesen- und Schreibenlernen braucht Zeit, und die haben wir bis in Klasse zwei. Dass sie zufrieden und stolz darauf sind, was das Kind an einem anstrengenden Schultag geleistet hat. Dass sie ihrem Kind trotz Misserfolgen immer wieder Mut machen und seine Lust wecken.

Und was wünschen Sie als Fachberaterin sich von Lehrern?

Dass sie es schaffen, trotz der großen Klassenstärke auf den Einzelnen zu gucken. Dass sie genügend Gelassenheit haben, jeden so zu nehmen, wie er oder sie zu uns kommt. Dass sie merken, welche individuelle Unterstützung ein Kind braucht. Es gibt wunderbare Pädagogen, die den Leistungsstärkeren offene Aufgaben stellen, für Schwächere mehr Zeit und Geduld haben und die eine dufte soziale Gemeinschaft schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch!
Una Giesecke

Foto: fotolia.com © pressmaster

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