Im Albertinum gibt es jetzt einen Raum, in dem Kinder die Gemälde auf Augenhöhe betrachten können.
Kleine Museumsbesucher sind es offenbar gewohnt, dass sie zu Exponaten aufschauen müssen: In der Galerie Neue Meister fällt ihnen im ersten Moment nichts Besonderes auf. Doch als die Museumsleute nachhaken, merken die Kleinen, dass ihr Blinkwinkel nicht optimal ist. „Die Bilder sind höher als unsere Köpfe“, sagt Jonas. Und Alfons ergänzt: „Das Licht blendet auf der Farbe.“
Im Albertinum wagt man deshalb seit dem 20. September ein besonderes Experiment: In einem der Räume wurden die Bilder tiefer gehängt, und zwar unter Mitwirkung eines „Expertenteams“ aus Sechs- bis Siebenjährigen. „Soweit wir wissen, ist das deutschlandweit einmalig“, sagt Konservator Holger Buchholz, der die Idee hatte. „Zwar gab es in Köln schon mal einen Versuch mit niedriger angebrachten Bildern, doch da waren keine Kinder am Aufbau beteiligt. Und es handelte sich um Werke, die sich speziell an diese Zielgruppe richteten.“
In Dresden suchten Buchholz und seine Mitstreiter ganz bewusst keine speziellen Bilder aus, sondern solche, die zuvor schon in der Dauerausstellung hingen. „Die Kinder sollen spüren, dass wir sie ernst nehmen“, so der Konservator. Auf acht Werke von Ferdinand von Rayski und eines von Julius Scholtz sei die Wahl deshalb gefallen, „weil in ihnen Humor und viel Menschenliebe steckt“. Zudem könne man gut mit jungen Besuchern darüber sprechen.
Als erstes Bild nehmen sich die Kinder die kleinformatige „Studie zum Bildnis des Domherrn Haubold von Schroeter“ vor, der „sich richtig fein gemacht hat, weil er gemalt werden soll“; gleich daneben platzieren sie den gleich großen „Distelfink“. Ein Stück nach unten, weiter auseinander, mehr zur Mitte – gar nicht so einfach, die alle zufriedenstellende Position zu finden. Dabei muss man auch höllisch aufpassen, dass die kostbaren Bilder keinen Schaden nehmen. Oder man probiert erst mal mit einem einfachen Druck auf Pappe.
Für die Kinder ist die ganze Prozedur eine überaus spannende Sache: Wann hat man schon mal Gelegenheit, so hautnah dabei zu sein? Am Ende dürfen sie sogar zusehen, wie die Museumsleute die Bilder mit Stahlseilen versehen und diese an einer Schiene unter der Decke befestigen. Mit Hilfe von Stellböcken werden die Kanten ganz genau ausgerichtet. „Alles gerade?“, lautet die abschließende Frage. Und die kleinen Experten nicken zufrieden.
Laut Hilke Wagner, Direktorin des Albertinums, ist die Aktion „kein Gag für ein paar Tage“: „Die Gemälde bleiben langfristig in dieser Höhe.“ Schließlich sei die erste Begegnung mit Kunstwerken in der Kindheit oft entscheidend für das spätere Interesse an der Kunst überhaupt. „ ,Tiefer hängenʻ ist auch ein schönes Bild für alles, was uns wichtig ist: den Menschen die Kunst näherbringen.“
Text: Birgit Hilbig; Foto: dpa