Dresden hat eine eigene Parkour-Community – gut gelaunt und gut vernetzt. Arvid Böhler berichtet von seiner Faszination – dem Parkour.

Junge Menschen, die sich in Hochhausschluchten in Frankreich ihren Weg bahnen, scheinbar schwerelos Hindernisse überwinden, mit einem Salto auf dem Boden landen oder auch an eine Wand springen und sich dort festhalten: Viele Filme und Musikvideos vermitteln einen Eindruck von Parkour. Doch der Sport, der nicht als Sport bezeichnet werden will und in dem es keine Wettbewerbe geben soll, ist eher eine komplette Lebenseinstellung. Ungewöhnliche Hobbys kommen auf ungewöhnlichen Wegen. „Es gibt ein Video von mir auf dem Spielplatz vor unserem Haus, darauf bin ich neun“, sagt Arvid Böhler. Seine Schwester filmte mit einer alten Kamera die ersten gelungenen Versuche. Die erste Rolle und der erste Safety Vault über eine Wippe gehörten dazu. Verbunden werden die Bewegungen zu einer sogenannten „line“. Ziel ist es, nur mit den Fähigkeiten des eigenen Körpers möglichst effizient von einem Punkt zu einem anderen zu gelangen. Der Läufer heißt auf Französisch „le traceur“ (der, der eine Linie zieht).

Herausforderungen sieht man überall

Das versuchte nun auch Arvid und nutzte dafür alles, was er auf dem Spielplatz und in der Umgebung finden konnte. „Metallpyramiden waren gut für Sprungkraft und Krafttraining.“ In der fünften Klasse fand er im Pestalozzigymnasium Mitschüler, die seine Leidenschaft teilten und fortan gemeinsam unterwegs waren. „In Dresden gibt es gute Spots“, erzählt der 17-Jährige. Darunter den Skate-Park an der Lingner-Allee, das Labyrinth am Otto-Dix-Ring, den Weißeritz-Grünzug und die Johannstadt. Abgesehen davon kann jeder Weg durch die Stadt zur „line“ werden. „Ich weiß gar nicht mehr, wie die Welt ohne Parkourblick aussieht“, schmunzelt er. Deshalb hat er genau zu diesem Thema auch schon eine Facharbeit in der Schule verfasst: Wie sich der Blick durch Parkour ändert. „Man sieht überall Herausforderungen, auch wenn man gar nicht danach sucht.“ Es gibt keine Regeln, niemand schaut, wie man dabei aussieht. „Die Hauptsache ist, dass man sich nicht verletzt.“ Deshalb sind Draufgängertum und Risikofreude fehl am Platz, auch wenn ab und zu blaue Flecken dazugehören. „Ausrutschen ist immer möglich, schlimmere Verletzungen sind aber selten.“ Das ist dem ausgezeichneten Trainingszustand und der guten Selbsteinschätzung der Athleten zu verdanken. „Man muss seine eigenen Grenzen sehr gut kennen und sich gut auf den Moment konzentrieren können.“ Kraft, Kraftausdauer, Sprungkraft und vor allem eine gute Beweglichkeit sind extrem wichtig. Vieles wird in der Bewegung trainiert, aber auch die guten alten Klimmzüge helfen. Und ein umfangreiches Erwärmen ist natürlich Pflicht. „Aber nach dem Üben von vielen Rückwärtssaltos kann man ganz schönen Bauchmuskelkater haben.“

Eigenen Grenzen erkennen

Parkour gilt nicht nur als Sportart, sondern als kreative Kunst, die dabei hilft, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu überwinden, ohne dabei aber andere beeindrucken zu wollen. Und ohne sich waghalsigen Situationen auszusetzen. Fehlversuche gehören dazu, ein Hindernis wird von verschiedenen Traceuren auf die verschiedensten Arten überwunden. „Wir üben sehr intensiv, bis eine ‚line‘ perfekt ist“, sagt Arvid. Was in einem Video so lässig aussieht, setzt also langes und intensives Training voraus. Waren die Traceuere früher nur draußen unterwegs, kann nun auch in Trampolinhallen oder Sporthallen geübt werden.

Drei Vereine bieten Parkour in Dresden an, außerdem gibt es Schul-AGs und Workshops. „Inspirationen hole ich mir oft über social media“, sagt Arvid. Meist aber von anderen Traceuren, die er schon kennt. Bei einem Treffen werden Tipps und Tricks getauscht. Die Gemeinschaft ist gut vernetzt. Dresden und Freiberg haben sich zusammengeschlossen, die Verbindungen nach Leipzig, Chemnitz und auch bundesweit sind gut. „Wie eine große Familie.“ Seine nächsten Ziele sind London, Frankreich und Santorin. „London hat extrem gute Wände, und von Santorin habe ich ein tolles Video gesehen“. Aber letztlich ist es egal, wo er sich befindet, Spots gibt es überall, und das Erkunden neuer Gegenden hat ein Reiz für alle, die Parkour lieben. Und egal wo: Zu seinem zehnjährigen „Jubiläum“ in zwei Jahren hat sich Arvid einen neuen Film vorgenommen.

Weitere Infos unter www.dresden.parkourone.com

Text/Bilder: Thorsten Eckert

Arvid Böhler in Aktion