Alexander Czudaj jagt mit dem Bob durch den Eiskanal. Bald will er auf den Spuren seines Vaters erstmals olympische Atmosphäre schnuppern.
Mit Alexander Czudaj ins Gespräch zu kommen, ist gar nicht so einfach. Nicht weil der 17-Jährige nichts zu sagen hätte – im Gegenteil! Aber im Winter ist der Dresdner Bobsportler viel unterwegs. Als wir ihn in der DSC-Trainingshalle in Dresden treffen, kommt er gerade vom bayerischen Königssee zurück, wo er ein Rennen gewinnen konnte. Zuvor gelang ihm das auch auf der Olympiabahn im norwegischen Lillehammer. „Mit diesen zwei Siegen will ich mich für die Youth Olympic Games nächstes Jahr in Lausanne empfehlen, das ist für jeden Junioren-Bobfahrer der absolute Höhepunkt“, erzählt Alexander Czudaj.
Der Familienname Czudaj dürfte Sportinteressierten ganz sicher etwas sagen. Denn Alexanders Vater Harald ist der Viererbob-Olympiasieger von 1994 und zweimaliger Europameister in dieser Disziplin. Der jüngste von drei Söhnen will also in seine Fußstapfen treten und profitiert vom enormen Know-how seines Vaters. „Ohne ihn hätte ich in Lillehammer vielleicht nicht gewonnen. Er hat es möglich gemacht, mich zusätzlich zu unseren Trainern zu begleiten. Denn genau auf dieser Bahn hat er damals den Olympiasieg geholt“, erzählt Alexander. Deutschland ist eine sehr erfolgreiche Bobsportnation, stellt mit den Bobteams von Francesco Friedrich und Nico Walther die amtierenden Gold- und Silbermedaillengewinner der jüngsten Olympiade. Doch der Weg in einen der Vorzeige-Bobs des Deutschen Verbandes erfordert ein wenig Geduld. Denn derzeit ist Alexander Czudaj erst einmal im Monobob allein unterwegs.
„Der Monobob ist quasi das Anfängergerät, um das Bobfahren zu erlernen. Wir nennen ihn auch liebevoll Elefantenrollschuh. Man hat noch nicht den Druck, dass hinter einem noch andere im Bob sitzen, für die man Verantwortung trägt. Zudem hat der Pilot bei einem Sturz die Möglichkeit, sich nach hinten zu lehnen, und schleift so nicht wie später im Zweier oder Vierer mit dem Helm über die Bahn, wenn sich das Gerät überschlägt“, erklärt der Sportschüler.
Bobpiloten wie Alexander Czudaj beginnen meist erst im jugendlichen Alter mit der Sportart, denn Kinder dürfen noch nicht mit dem 180 Kilogramm schweren Gerät unterwegs sein. Zahlreiche Piloten und vor allem Anschieber kommen aus der Leichtathletik wie der Dresdner Martin Grothkopp, der Francesco Friedrich zum Olympiasieg schob. Andere steigen vom Rodelschlitten auf das große Gefährt um, und Alexanders Vater Harald saß vorher im Kanu. Alexander war wie sein Bruder Leichtathlet beim Dresdner SC, wollte sich eigentlich auf den Speerwurf konzentrieren. „Ein komplizierter Bruch im rechten Arm hat mit 16 Jahren eine Karriere mit dem Speer unmöglich gemacht. Für mich war dann schnell klar, dass ich Bobpilot werden will. Ich kenne die Sportart durch meinen Vater ja seit meiner Kindheit. Mit fünf Jahren habe ich erste Versuche gemacht, die Starttechnik zu üben“, sagt der Athlet, der seine Rennen für den BSC Oberbärenburg bestreitet. Den Aufnahmetest bestand er prompt, und seitdem sammelt er im Monobob seine Erfahrungen.
Auch Stürze gehören auf den schnellen Eiskanälen dazu. Angst davor empfindet Alexander nicht. „Als junger Pilot passieren Fahrfehler natürlich noch häufiger, und man stürzt auch mal. Aber meist kündigt sich ein Sturz durch einen Fehler an. Man hat dann einen Moment Zeit, sich richtig zu verhalten, damit nichts passiert.“
Das tägliche Training aber spielt sich nicht im Eiskanal ab, sondern in der DSC-Halle in Dresden. Auf der Laufbahn stehen zum Beispiel Sprints auf dem Programm, zudem verbringen Bobsportler viel Zeit im Kraftraum. Die Erfahrungen im Eiskanal sammeln die Piloten und Anschieber dann bei Lehrgängen an den vier deutschen Bobbahnen in Altenberg, Königssee, Oberhof und Winterberg. Dort trifft Alex auch die deutschen Topathleten wie eben Francesco Friedrich. „Wenn er gerade da ist und ich meinen Bob zum Start schleppen muss, frag ich ihn auch einfach mal, ob er mir hilft. Da herrscht eine lockere und freundschaftliche Atmosphäre.“
Alexander Czudaj hofft nun, dass er für die Olympischen Jugendspiele im Januar nominiert wird. „Ein wenig schnuppert man dort schon olympische Luft. Das motiviert sicher, es irgendwann auch mal im Zweier- oder Viererbob zu Olympia zu schaffen“, sagt Alexander. Anschieber hat er sich bereits zusammengesucht, mit denen er in den kommenden Jahren trainieren und sich dann irgendwann für die Nationalmannschaft empfehlen will.
Text und Foto: Skadi Hofmann
KONTAKTE
– Sportclub Oberbärenburg: www.sc-oberbaerenburg.de
– Rennrodel-, Bob- und Skeletonverband für Sachsen: https://rbsv.de
– Sichtungstrainerin für Bob/Skeleton und Leichtathletik in Dresden: Lisa Müller, Kontakt über den RBSV: info@rbsv.de
Veranstaltungstipp
Vom 17.2. bis 1.3. 2020 findet in Altenberg die Bob- und Skeleton-WM statt.
www.altenberg2020.de
Die Welt mit anderem Blick erlaufen
Dresden hat eine eigene Parkour-Community – gut gelaunt und gut venetzt
Junge Menschen, die sich in Hochhausschluchten in Frankreich ihren Weg bahnen, scheinbar schwerelos Hindernisse überwinden, mit einem Salto auf dem Boden landen oder auch an eine Wand springen und sich dort festhalten: Viele Filme und Musikvideos vermitteln einen Eindruck von Parkour. Doch der Sport, der nicht als Sport bezeichnet werden will und in dem es keine Wettbewerbe geben soll, ist eher eine komplette Lebenseinstellung. Ungewöhnliche Hobbys kommen auf ungewöhnlichen Wegen. „Es gibt ein Video von mir auf dem Spielplatz vor unserem Haus, darauf bin ich neun“, sagt Arvid Böhler. Seine Schwester filmte mit einer alten Kamera die ersten gelungenen Versuche. Die erste Rolle und der erste Safety Vault über eine Wippe gehörten dazu. Verbunden werden die Bewegungen zu einer sogenannten „line“. Ziel ist es, nur mit den Fähigkeiten des eigenen Körpers möglichst effizient von einem Punkt zu einem anderen zu gelangen. Der Läufer heißt auf Französisch „le traceur“ (der, der eine Linie zieht). Das versuchte nun auch Arvid und nutzte dafür alles, was er auf dem Spielplatz und in der Umgebung finden konnte. „Metallpyramiden waren gut für Sprungkraft und Krafttraining.“
In der fünften Klasse fand er im Pestalozzigymnasium Mitschüler, die seine Leidenschaft teilten und fortan gemeinsam unterwegs waren. „In Dresden gibt es gute Spots“, erzählt der 17-Jährige. Darunter den Skate-Park an der Lingner-Allee, das Labyrinth am Otto-Dix-Ring, den Weißeritz-Grünzug und die Johannstadt. Abgesehen davon kann jeder Weg durch die Stadt zur „line“ werden. „Ich weiß gar nicht mehr, wie die Welt ohne Parkourblick aussieht“, schmunzelt er. Deshalb hat er genau zu diesem Thema auch schon eine Facharbeit in der Schule verfasst: Wie sich der Blick durch Parkour ändert. „Man sieht überall Herausforderungen, auch wenn man gar nicht danach sucht.“ Es gibt keine Regeln, niemand schaut, wie man dabei aussieht. „Die Hauptsache ist, dass man sich nicht verletzt.“ Deshalb sind Draufgängertum und Risikofreude fehl am Platz, auch wenn ab und zu blaue Flecken dazugehören. „Ausrutschen ist immer möglich, schlimmere Verletzungen sind aber selten.“ Das ist dem ausgezeichneten Trainingszustand und der guten Selbsteinschätzung der Athleten zu verdanken. „Man muss seine eigenen Grenzen sehr gut kennen und sich gut auf den Moment konzentrieren können.“ Kraft, Kraftausdauer, Sprungkraft und vor allem eine gute Beweglichkeit sind extrem wichtig. Vieles wird in der Bewegung trainiert, aber auch die guten alten Klimmzüge helfen. Und ein umfangreiches Erwärmen ist natürlich Pflicht. „Aber nach dem Üben von vielen Rückwärtssaltos kann man ganz schönen Bauchmuskelkater haben.“
Parkour gilt nicht nur als Sportart, sondern als kreative Kunst, die dabei hilft, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu überwinden, ohne dabei aber andere beeindrucken zu wollen. Und ohne sich waghalsigen Situationen auszusetzen. Fehlversuche gehören dazu, ein Hindernis wird von verschiedenen Traceuren auf die verschiedensten Arten überwunden. „Wir üben sehr intensiv, bis eine ‚line‘ perfekt ist“, sagt Arvid. Was in einem Video so lässig aussieht, setzt also langes und intensives Training voraus. Waren die Traceuere früher nur draußen unterwegs, kann nun auch in Trampolinhallen oder Sporthallen geübt werden.
Drei Vereine bieten Parkour in Dresden an, außerdem gibt es Schul-AGs und Workshops. „Inspirationen hole ich mir oft über social media“, sagt Arvid. Meist aber von anderen Traceuren, die er schon kennt. Bei einem Treffen werden Tipps und Tricks getauscht. Die Gemeinschaft ist gut vernetzt. Dresden und Freiberg haben sich zusammengeschlossen, die Verbindungen nach Leipzig, Chemnitz und auch bundesweit sind gut. „Wie eine große Familie.“ Seine nächsten Ziele sind London, Frankreich und Santorin. „London hat extrem gute Wände, und von Santorin habe ich ein tolles Video gesehen“. Aber letztich ist es egal, wo er sich befindet, Spots gibt es überall, und das Erkunden neuer Gegenden hat ein Reiz für alle, die Parkour lieben. Und egal wo: Zu seinem zehnjährigen „Jubiläum“ in zwei Jahren hat sich Arvid einen neuen Film vorgenommen.
Weitere Info: dresden.parkourone.com
Text und Foto: Thorsten Eckert